Ein ganz normaler Schultag?

20200329 HomestoryNGL1Die Gestaltung des Unterrichts und des Arbeitsalltags erfordert in Zeiten der Schulschließung vor Allem Flexibilität und viel Organisation. Herr Nagel, Lehrkraft für Deutsch und Erziehungswissenschaft am Westfalen-Kolleg, berichtet:

"Normal ist in diesen Zeiten nichts. Studierende und Lehrende sitzen zuhause in ihren Arbeitszimmern, Küchen oder auf dem Sofa und arbeiten für die Schule. Die Lehrer*innen versorgen sie über die Moodle-Plattform mit Aufgaben, organisieren Zusammenarbeit über entsprechende Programme oder führen Videokonferenzen durch, damit der Schulbetrieb trotz Schließung nicht ganz zum Erliegen kommt.

Viele Studierende aus den abendgymnasialen Bildungsgängen haben aber auch gerade überhaupt keine Zeit zum Lernen, weil sie - jeder kennt diesen Begriff inzwischen aus diversen Pressekonferenzen und ministeriellen Stellungnahmen - in den sogenannten „systemrelevanten Berufen“ arbeiten. Für sie bedeutet Lernen, sich nach einem langen Arbeitstag mit Überstunden in medizinischen oder krankenpflegerischen Berufen, im Lebensmittelgewerbe, in den Bereichen Lager und Transport etc. doch noch an den Schreibtisch zu setzen, obwohl sie sich eigentlich erholen sollten. Sie müssen das nicht tun. Jede*r von uns ist froh, wenn die bestmögliche Versorgung aller gewährleistet wird, und wir sind all denen dankbar, die dafür Sorge tragen. Wir werden Lösungen finden, wenn die Schule wieder regulär stattfindet, da bin ich sicher.

Ein bisschen Normalität hat das Unterrichten von zuhause aus für mich aber trotz allem. Als Lehrer bei Abitur-Online bin ich es gewohnt, an mehreren Tagen in der Woche zeitweise im - inzwischen berühmt gewordenen - „Home Office“ zu sitzen und eingesandte Aufgaben zu korrigieren, diese mit individuellen Kommentaren und Tipps zu versehen und über die Moodle-Plattform einen Teil der Unterrichtskommunikation zu führen. Auch organisiere ich regelmäßig über die Plattform interaktive Arbeitsformate, damit die Studierenden in den Phasen des Distanzunterrichts Gelegenheit zur Zusammenarbeit haben.

Was durch die Schulschließung wegfällt, ist der regelmäßige Präsenzunterricht am Freitagabend und am Samstag. Erst jetzt merkt man, wie wichtig diese Form des Zusammen-Lernens ist: Sich mit anderen auszutauschen, andere Sichtweisen auf Fragestellungen und Phänomene kennenzulernen, zu diskutieren und sich gegenseitig Zusammenhänge zu erklären, macht einen Lernprozess grundlegend aus. Das versuche ich im Moment durch regelmäßige Videokonferenzen zu kompensieren. Es ist bei weitem nicht das gleiche, aber diese Abendtermine dreimal in der Woche sind mir sehr wichtig geworden, weil sie helfen, die durch die Schulschließung entstandenen Lücken im Präsenzunterricht zumindest annähernd zu füllen.

Eine weitere Neuerung ist für mich, dass ich im Home Office nun nicht mehr alleine sitze, sondern dass mein Sohn (11 Jahre, 5. Klasse) ebenfalls Heimunterricht hat. Auch wenn er seine Arbeitsaufträge, die er ebenfalls über eine Moodle-Plattform seiner Schule bekommt, überwiegend selbständig bearbeitet, so springe ich gelegentlich doch als Hilfslehrer ein, um Aufgabenstellungen zu erklären oder Tipps für die Lösung kniffliger Mathematikaufgaben zu geben. Das gefällt mir gut, denn so bekomme ich auch einmal wieder Einblicke in andere Unterrichtsfächer und in Unterrichtsinhalte der Sekundarstufe I. Und es macht Spaß, kreative Ideen zu entwickeln, wie wir mit Hilfe digitaler Medien die Aufgaben so bearbeiten können, dass sie an die Schule zurückgeschickt werden können. Auf diese Weise haben wir zum Beispiel gelernt, wie man am Tablet eBooks und Filmplakate erstellt.

Das Schönste am Heimunterricht ist aber, dass wir über unseren eigenen Stundenplan bestimmen können: Wir fangen niemals vor 9 Uhr an und entscheiden täglich neu, welches Fach bzw. welche Lerngruppe gerade „dran“ ist. Manchmal treffen wir virtuell auf andere Lehrer: So hat etwa mein Sohn über Skype Schlagzeugunterricht.

Wir genießen die gemeinsamen Pausen auf dem Balkon in der Sonne. Und unsere Katzen freuen sich, dass wir tagsüber zuhause sind. Sie helfen uns sogar manchmal bei der Arbeit.

Wenn irgendwann all das vorbei sein wird, freuen wir uns wieder auf die Schule, unsere Kolleg*innen, Studierenden und Mitschüler*innen, die wir hoffentlich alle gesund wiedersehen werden. Und wir freuen uns darauf, dass unser gewohnter Alltag wieder da ist. Aber das Schuljahr 2019/20 wird in unserer Erinnerung wohl lange präsent bleiben." 20200329 HomestoryNGL

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